Monday 12 October 2009

Dollhouse - And who are we today?

Dollhouse: 2x03 Belle Chose.

Mit “Belle Chose” fügen sich viele der begonnen Linien der letzten zwei Folgen zusammen. Erstens ist das Dollhouse diese Woche explizit eines ohne Dr Saunders – aus einer Konversation zwischen Adelle und Boyd erfahren wir, dass aktiv und nicht erfolgreich nach ihr gesucht wird, was wiederum darauf hinweist, dass Topher Whiskey tatsächlich mehr als nur die nötigen Fähigkeiten verliehen hat (mehr Technologiewissen, als es eine Ärztin bräuchte, und damit auch die Fähigkeit, das eingepflanzte GPS auszuschlaten, wie es scheint).
Erstmals wäre das nur eine Kleinigkeit am Rande – aus der Konversation zwischen den beiden wird zwar klar, dass es in Zukunft vielleicht Konflikte über Dr Saunders Status geben könnte –
Adelle: “And any progress on locating our troubled missing employee?”
Boyd: “She’s not really missing, is she? She left.”
Adelle: “Well, I call that missing.”
Boyd: “I call that leaving.”
Adelle: “One doesn’t just leave this place.”
Boyd: “Claire did!”
Adelle: “Oh, it’s Claire now, is it?”
Boyd: “Dr. Saunders.”
Aber abgesehen davon scheint ihre Flucht keine weiteren Folgen zu haben. Bis wir zu dem Punkt kommen, der wieder an die Konversation zwischen Whiskey und Topher anschließt, an die Idee, dass er sie erschaffen hat, um seine eigenen Fehler auszugleichen. Aber dazu später.
Erstmal beginnt „Belle Chose“ (Wer noch Spaß mit Google haben mag: Belle Chose ist „Chaucers Term für die Vagina, geborgt aus dem Französischen für „die schöne Sache“, die Referenzen sind in diese Folge besonders ergiebig) wiederum mit umgekehrten Erwartungen, die Sache, von der schon „Instinct“ über weite Strecken seine Faszination bezog. Ein Mann dekoriert Kaufhauspuppen, denken wir, denn das setting passt und im Hintergrund läuft die Kaufhaustypische „music for elevators“. Die Situation hält, bis einer der „Dolls“ ein Schweißtropfen über die Stirn rinnt und sie stöhnend einen Fluchtversucht beginnt. Mit einem Mal fällt der Schein, und wir erkennen, dass diese Anordnung einer gepflegten Gesellschaft eine ganz eigene Art des „Dollhouses“ ist. Spannenderweise haben wir ja schon im Finale der ersten Staffel die Horrorfilmvariante des Dollhouses gesehen (in Alphas lair, inklusive unheimlicherer imprinting chair) – das hier ist quasi die Psychokillervariation.
Der Psychokiller heißt Terry, und ist, wie man so schön sagt, well-connected. Nachdem er, benebelt von einem Fluchtversucht eines seiner Dolls, auf der Straße von einem Auto angefahren wird, landet er (komatös) im Dollhouse. Er ist der Neffe eines prominenten Shareholders des Dollhouses (gespielt von „Colonel Tigh“ Michael Hogan), und, wie Adelle das auf ihre subtile Art ausdrückt, geschützt vor dem Zugriff der Justiz (Boyd hinterfragt das, aber wie immer sehr zurückhaltend, nicht wie Ballard). Allerdings besteht noch das Problem, dass der Sohn jetzt bewusstlos ist und irgendwo in LA seine Opfer auf ihre Befreiung warten, ohne dass der Onkel einen Weg wüsste, wie er sie finden könnte.
Topher, nachdem er das Gehirn des Komatösen analysiert hat und erkannt, dass dieser die entscheidenen Regionen seines Gehirns nicht benutzt und damit wie ein Serienkiller aussieht („empathy, compassion, an aversion to disemboweling puppies“), meint, man solle diesen besser nicht mehr aufwecken, selbst wenn es möglich ist.
Topher: “Certain enough that I have serious ethical problems trying to wake him up”
Boyd: “Topher has ethical problems! TOPHER!”
Also kommt es wiederum zu einem riskanten Engagement (seitdem Claire Saunders nicht mehr da ist, geht das Dollhouse überhaupt viel fragwürdigere Verträge ein, wie es scheint), als nämlich Victor, der seine Narben endlich dank komplizierter und kostspieliger (aber Adelle ist nichts zu schade für ihren Victor!) los ist, mit einem Abbild von Terrys Persönlichkeit imprinted wird.
Das zweite Engagement der Folge ist der Grund, warum sie so gut funktioniert: es kontrastiert perfekt, und alles läuft auf den Moment hin, wo sich beide überschneiden. Seit der ersten Folge der zweiten Staffel hatte es den Anschein, dass die Engagements komplizierter, moralisch komplexer werden: In „Vows“ wurde Echo auf ein long-term-engagement geschickt, das in dem wichtigen Moment der glücklichen Hochzeit mündete (der Fotowürdige Moment), in „Instinct“ wurde sie zur Mutter (wiederum der Fotowürdige Moment: Echo glücklich mit Baby). Diese in unserer Gesellschaft so gut verankerten Glücksmomente wurden dann heftigsts dekonstruiert: In „Vows“ durch die plötzlich ausbrechende Gewalt, in „Instinct“ durch die Verwendung all dieser Horrormovieklischees. „Belle Chose“ greift wieder auf die „harmlosen“ Engagements der ersten Staffel zurück (versehen mit einem R für Romance) – Echo soll als Kiki die Fantasie eines liberal art professors (der mittelalterlichen Literatur) erfüllen, und sich als unbedarfte Studentin, um eine bessere Note zu bekommen, verführen lassen. Dieses Arrangement ist vor allem interessant, da es bereits in der zweiten Folge, nachdem Ballard Echos Handler wurde, zu massiven Problemen kommt. Erstmal holt er Echo aus dem „Duschraum“ ab (dessen Potential ja schon letzte Staffel für die Etablierung der Beziehung zwischen Victor und Sierra ausgereizt wurde), bloß dass die Machtbeziehungen zwischen Paul und Echo um einiges komplizierter sind. Paul, der große Retter, hat am Ende der letzten Folge vorgeschlagen, Echo solle doch auf ihr wiedergefundenes Bewusstsein verzichten, er würde sie auch ohne ihre Hilfe befreien. Jetzt steht er der nackten Echo gegenüber und wir erinnern uns an die Ansprache, die ihm Joel Mynor in „Man on the Street“ gehalten hat (dass seine Idee, Caroline zu retten, auch bloß eine Fantasie ist) und aus der Traumsequenz eine Folge später wird auch noch angedeutet, dass sich der Ritter, nachdem er seinen Job erfüllt hat, eine romantische „Belohnung“ erwartet (die aber schon in der Traumsequenz einen schuldbeladenen Twist hatte).
Paul: “Would you like a….. towel?”
[…]
Echo: „Shall I dress?“
Paul: “Yes, dress would be good.“
Als Paul dann von dem Engagement mit dem college professor erfährt, kehrt seine ganze moral superiority zurück, ohne dass er reflektiert, was in der vorangegangenen Szene gerade passiert ist („So she’s the sex fantasy for some egghead academic who can’t get some real student to sleep with him?“) Schön hier auch, dass wir endlich einen weiteren Schritt zwischen imprinting chair und Beginn des Engagements zu sehen bekommen: Echo als Kiki wird in “Pretty Woman”-Manier entsprechend ausgestattet (prizeless das „Of course, you are always new! And who are we today?“ und das „their insides is nothing, zip zip. The outsides, that’s art. Art takes time.” des Dollhouse-Styleberaters – wo die glitzernde Oberfläche des Dollhouses plötzlich aussieht, wie irgendeine reality soap, und Paul vollkommen aus seinem Element gerissen ist (“I was trained at Quantico”). Glücklicherweise kommt genau in dem Moment, in dem Paul wieder dabei ist, jeden Zentimeter von Echo zu bewundern (inklusive Porno-Soundtrack, nice touch), Boyd („I’ll take her“ – perfekt getimt, mit all der Doppeldeutigkeit, die das Konkurrenzverhältnis der beiden nochmal etabliert).
Die Idee, Paul gerade an dem Punkt, an dem er sich am Unwohlsten fühlt, wieder zurück in sein Element zu werfen, ist genial. Terry steckt jetzt in Victors Körper, und Adelle braucht einen FBI-Profiler, um ihm die benötigten Informationen zu entlocken. Innerhalb weniger Sekunden „blüht“ Paul auf, nur dass jetzt die dunkle Seite wieder ans Tageslicht kommt, die wir schon in „Vows“ gesehen haben: Paul genießt, dass er sich nicht mehr an die Grenzen halten muss, die ihm vorher gesetzt wurden, er ist gerne über den Gesetz („this is the place you’re not in, and I’m the guy you’re not talking to“), und während er Echo als Menschen sieht, der beschützt werden muss, hat er keinerlei Einfühlungsvermögen mit dem armen Victor (der als Terry mit allen Mitteln drangsaliert wird). Das ist natürlich vor allem spannend, weil Adelle dieses Geschehen die ganze Zeit über beobachtet, und in „Vows“ schon offensichtlich Victor gegenüber verletzlicher war, als wir sie sonst jemals gesehen haben.
Paul beschreibt, was Terrys Vorgehen ist: er sammelt beliebige Frauen von der Straße, die ihn an seine eigene Familienkonfiguration erinnern, und lebt seine revenge fantasies („They are not nice, they are never nice. They care more about their dates and their boyfriends.”) aus.
Ballard: “You know what that makes you? Very weird.”
Terry: “I’m no weird.”
Ballard: “No, no you’re weird, Terry. But what you’re not is special. It doesn’t take a criminal profiler to figure you out. Maybe just a pimp! It’s ordinary. You’re ordinary. Maybe you got bottle fed, maybe you got dumped, it doesn’t matter, at some point you decided real people weren’t worth it. You pushed them away. Alienated everyone in your life so you could surround yourself with the fakes, with the copies, to make you feel like you’re in control. You’re not in control”
Der letzte Teil dieser Ansprache muss sich für Adelle ein bisschen “too close to home” anfühlen, aber trifft in Wirklichkeit genau so auf Ballard zu (vor allem der Kontrollverlust, den wir ja gerade erst gesehen haben) – nur dass die natürlich nicht sehen, wie sehr Terrys kleine Welt ein grusliges Zerrbild ihres Dollhouses ist.
Dann kippt die Situation: Terrys Onkel versucht den wirklichen, komatösen Terry umzubringen, entführt Victor, und stürzt damit das Dollhouse ins Chaos, weil, wie sich herausstellt, Dr Saunders Abwesenheit nicht nur eine moralische, sondern auch eine technologische Lücke hinterlassen hat: Victor wurde nach seiner Operation nicht mehr mit einem GPS-Chip versehen, weil Claire niemanden daran erinnert hat, und ohne Claire wird Topher Selbstüberschätzung noch gefährlicher für alle.
Adelle: “So you’re saying that we’ve imprinted an Active as a serial killer and then blindly let him loose upon the streets?”
Topher: “I wasn’t saying that.”
Meanwhile, bei Kiki: ein kleiner Nebenbei der Folge ist irgendwie, dass die Literatur (und wohl weitergedacht auch die Filme und die Serien) die wir konsumieren, unsere Fantasien und Konzeptionen von Identität mitbeeinflussen. Der Professor der Mittelalterlichen Literatur hält ausgerechnet eine lecture über den Status den mittelalterlichen Autors, mit Echo im Raum: „They were in a real sense nobody. The authors of some of the most important medieval literature had no concept of self-identity as we understand it. We think of them as anonymous, and they did not think about themselves at all”
Echo ist natürlich nicht Niemand, und sie denkt über sich selbst nach, genau darauf läuft die Folge hinaus. Harmlos ist dieses Engagement auch nicht unbedingt, schließlich besteht die sexual fantasy des Collegeprofessors darin, seine eigene Machtposition auszunützen, um zu bekommen, was er will, und diese Idee rahmt und rechtfertigt er mit der Konzeption eines Charakters in einem Roman von Chaucer (und ironischerweise trägt das Essay, auf das Kiki ein failing grade bekommen hat, den Titel „The economics of Love“ bei Chaucer – und auf was, wenn nicht „The economics of love“, basiert das Dollhouse?), Alisoun/Alyson in „The Canterbury Tales“, die in Kikis Interpretation eine „whore“ war, die Sex verwendete, um zu bekommen, was sie wollte, in der des Professors „lusty“ und „self-aware“ (gerade die letzte Zuschreibung ist interessant, schließlich hat er sich eine Doll programmieren lassen, von der er vermuten muss, dass sie alles andere als das ist). Dass das alles männliche Zuschreibungen in einem anti-feministischen mittelalterlichen Text sind, die Kiki gefügig machen sollen, weil sie sich Chaucers „most fully realized character“ als Vorbild nehmen wird, ist auch interessant – wenn man bedenkt, wie klischeehaft Paul Caroline in der ersten Staffel als hilfloses Opfer, als unschuldige Prinzessin, die er retten muss, konstruiert hat.
Der entscheidende Punkt der Folge ist, wo Adelle, in die Ecke gedrängt, entscheidet, dass sie auf jene Technologie zurückgreifen wird, die Alpha in er ersten Staffel verwendet hat. Im Endeffekt geht es ja darum, wie aus dem Dollhouse der ersten Staffel jene Organisation wird, die vor „Epitaph One“ das Ende der Welt as we know it eingeleitet hat. Topher meint, remote wipes seien umöglich, und braucht dann bloß ein paar Minuten, um sie doch zu realisieren – nur dass sein Erstversuch gründlich schief geht. Der Kontrollverlust entsteht aus dem Ausnahmezustand – Ästhetisch schön umgesetzt, als Adelle mit Taschenlampe im dunklen Dollhouse rumläuft, was natürlich direkt an „Epitaph One“ anknüpft.
Plötzlich ist der misygynistische Killer in Echos Körper, und die hilflose Collegestudentin in dem Victors. Das comedy-potential von body switches wird aber nur in Victors Fall realisiert (Enver Gjokaj zeigt seine ganze Bandbreite, hoffentlich gibts in den nächsten Folgen mehr von ihm zu sehen) – und statt für seine von außen als Homosexualität gelesenen Annäherungsversuche an ein offensichtlich gefährliches Rudel Männer „bestraft“ zu werden, manifestieren sich seine Notfallsselbstverteidigungskräfte, als er die Gefahr KO-schlägt (“You suck, trying to hit a girl”), und dann darf Paul doch noch den Ritter in der Not spielen und Victor „nach Hause“ bringen.
Terry in Echo bringt dagegen Chaos und Zerstörung. Der Colleprofessor endet mit einem Messer im Hals – („You’re an incredible woman“ / „What did you call me? I am an incredible woman. Goodness gracious.”). In Terrys eigenem “Dollhouse” entsteht inzwischen ein kleines Spiegelbild von Echos/Carolines Befreiungsversuch in “Needs”, als die lähmenden Drogen, die seine weiblichen Opfer wortwörtlich in Puppen verwandeln, aufhören zu wirken, und die Frauen einen Selbstbefreiungsversuch starten („We have names. Remember that. We’re human, not his toys.“). Terry in Echo unterbricht den Versuch, doch im entscheidenden Moment, in dem eine killing spree beginnen könnte, gewinnt Echo die Kontrolle zurück:
„He was here. He is still here. He wants to kill you. You have to kill him first.”
Die Frauen verstehen nicht (“It doesn’t have to make sense. It just is”), doch bevor sie Echo, um ihre Selbsterhaltung sicherzustellen, töten können, kommt Paul mit SWAT-Team und bereinigt die Situation (“Are you OK?“ / „I don’t think so.“). Aber am Ende, ganz in der Tradition der ersten Staffel, hat der imprint Spuren hinterlassen, Terry ist jetzt ein Fragment ihrer Persönlichkeit, und Echo endet mit einem „goodness gracious“, nachdem sie beobachtet hat, wie Paul den richtigen Terry ausgelöscht hat („I think he dreams“ / „not anymore“), in dem er die Maschine einfach abschaltet - ein Schritt, den Adelle gerne tun würde, aber sie hält sich noch an die Regeln.

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